Nate Gangelhoff (Banner Pilot) - 22.09.2012

Kurz vor Ende der Europa-Tour spielten Banner Pilot noch im Cafe Lorenz Süd in Münster. Also nix wie hin und Interview gemacht. Nachdem Nate kurzfristig im Münsterland verschollen zu sein schien, sprachen wir über Touring in Europa, die Art Songs für Banner Pilot zu schreiben und seine Karriere als Autor.

Jöran: Es ist einer der letzten Tage eurer Europa-Tournee... Hatte ihr ne gute Tour bis hierhin?

Nate: Ja, es war unglaublich, total überwältigend. Wir waren ungefähr 2 1/2 Wochen hier und haben Shows hier in Deutschland gespielt, in UK, in Westeuropa, waren in der Ukraine und Russland. Das war alles großartig. Wir haben eine Menge coole Leute getroffen und die Shows waren besser, als wir erwartet hätten. Wir haben eine Menge interessante Städte und Orte kennen gelernt. Es war einfach Spaß!

Jöran: Ihr musstet eine Show absagen, weil Nick krank war?

Nate: Nun ja, er war nicht krank. Er hatte seine Stimme verloren. Wir hatten 9 Shows direkt nacheinander gespielt, und dann kommt irgendwann einfach der Punkt, an dem sich deine Stimme verabschiedet. Und das war da der Fall. Er konnte zwar ein wenig reden und singen, wenn wir es aber mit der Show versucht hätten, wäre die ziemlicher Mist geworden und seine Stimme hätte sich nicht wieder erholt. Es war die richtige Entscheidung, wobei wir natürlich enttäuscht waren. Wir werden so schnell wie möglich eine neue Show in Hannover spielen.

Jöran: Wie sieht das bei euch aus? Freut ihr euch nach ca. 3 Wochen nach Hause zu fahren?

Nate: Hm, das sind gemischte Gefühle. Auf Tour zu sein macht natürlich ne Menge Spaß, aber wir haben auch Freundinnen und Verantwortung zu Hause, man bekommt also ein bisschen Heimweh. Natürlich waren wir jetzt nicht zu lange auf Tour, einige Bands, mit denen wir befreundet sind touren 6 bis 8 Monate am Stück. 2-3 Wochen sind also nicht allzu lange und ein bisschen wie ein verlängerter Urlaub. Es wird also schön nach Hause zu kommen, aber wir rasten bei der Idee nicht total aus.

Jöran: Spielt ihr eigentlich beim Fest?

Nate: Klar. Ich glaube, das wird unser 7. Auftritt da.

Jöran: Plant ihr denn schon wieder ne Tour durch Nordamerika?

Nate: Nee, noch nicht. Wir haben Anfang des Jahres schon ein bisschen getourt und da wir alle Jobs haben, können wir nicht mehr als ein paar Wochen im Jahr touren.

Jöran: Ihr Jungs habt alle Jobs. Wie macht ihr das dann mit der Tour? Unbezahlter Urlaub?

Nate: Einige von uns haben ein paar Urlaubstage im Jahr, die sie für die Band opfern, der Rest macht unbezahlten Urlaub. Das wäre natürlich unmöglich bei 6 Monaten im Jahr, 6 Wochen bekommt man damit aber schon hin-

Jöran: Ok, zurück zu Russland. War das eure erste Tour da?

Nate: Ja, wir waren zum ersten Mal in Russland und der Ukraine.

Russland war Non-Stop-Reizüberflutung!

Jöran: Wie hat's euch gefallen? Russland scheint sich immer mehr zum beliebten Tour-Land zu entwickeln?

Nate: Es war großartig! Die letzten 3-4 Tage waren vielleicht die verrücktesten Tage, die ich in meinem Leben hatte. Non-Stop-Reizüberflutung! Wir sind ne Menge gereist und, wenn man hier in Deutschland oder Frankreich unterwegs bist, hast Du noch eine gewisse Chance ein paar Wörter und Schilder zu verstehen. Inder Ukraine geht da gar nichts. Ich hatte keine Ahnung, was mir das alles sagen sollte. Es war richtig großartig, die Leute waren super nett! Als ich ankam dachte ich 'Weiß eigentlich irgendwer hier, wer wir sind? Oder wird es so sein, dass da einfach nur ein paar Kids sind, die eine Band sehen wollen?' Aber es war total cool! Die Leute da kannten die Songs, konnten mitsingen, und waren ein total enthusiastische s Publikum. Und die Städte... Wir haben eine Menge Sight-Seeing gemacht und sind glaub ich 7 Stunden durch Moskau gelaufen. Das ist eine der besten Seiten am Touren in Europa - keine Beleidigung an Amerika, aber wenn du in beispielsweise Kansas City spielst, denkst du auch 'Hm, okay, ich bleib dann im Hotel und guck mir die Skyline an.' In Moskau hast du diesen ganzen historischen Kram um dich herum und alles um dich herum ist großartig! Die letzten 3 Tage fühlten sich an wie 2 Wochen, weil wir so viel gemacht haben.

Jöran: Also verbringst Du Deine Freizeit auf Tour damit Dir die Städte anzuschauen, in denen ihr spielt?

Nate: Ja, das finde ich klasse. Dafür fahr ich ja auch auf Tour. Es ist manchmal echt schade, dass man Tourist natürlich viel mehr machen kann. Wenn man als Band unterwegs ist, bist du fast den ganzen Tag im Van, kommst um 17 Uhr an, machst den Soundcheck, Merch aufbauen, Abendessen, dann läufst du gegen 19 Uhr noch mal 5 Straßen runter, kommst zurück und zockst die Show. Da denkst du dann 'Ich glaube, ich war in Los Angeles...' Das ist manchmal schrecklich. Das gute in Russland und der Ukraine war, dass wir Nachtzüge genommen haben und morgens in einer anderen Stadt waren, wo wir dann den ganzen Tag hatten. Ich liebe es, mir auf Tour Städte anzuschauen.

Jöran: Andere Geschichte: Hast Du die Pussy-Riot-Sache verfolgt.

Nate: Ja, nicht total intensiv, aber natürlich!

Jöran: Was denkst Du darüber? Ist es nicht schrecklich, dass eine russische Band ins Gefängnis muss und ihr könnt problemlos in Russland spielen?

Nate: Natürlich. Gut, wir haben auch nicht in einer Kirche gespielt (lacht). Aber natürlich ist es total absurd, dass sie 2 Jahre ins Gefängnis müssen. Ich habe jetzt in den Nachrichten gehört, dass Medwedew schon gesagt hat, dass sie bald wieder freigelassen werden sollten. Wollen wir hoffen, dass das passiert. Es ist natürlich eine verrückte Geschichte, wenn sowas in den USA in den News kommt, kurz bevor du nach Russland fliegst. Meine Eltern, die natürlich nicht so kompletten wissen, was für eine Art Band wir sind, lesen also 'Punkrock-Band im Gefängnis'. Da hört man schon, dass man sehr vorsichtig sein muss (lacht). Wir haben in Moskau einige Pussy-Riot-Graffitis gesehen, haben die Kirche gesehen, in der sie gespielt haben, das war sehr interessant. Aber insgesamt natürlich eine total verrückte Geschichte. Ich hoffe, dass sie bald raus kommen.

Wir haben immer schon ein wenig anders geklungen auf jedem Album.

Jöran: Im letzten Post auf eurer Website hast Du geschrieben, dass ihr schon wieder 6 neue Songs habt, die eventuell aufs neue Album kommen? Habt ihr schon einen genauen Plan?

Nate: Nein, nicht wirklich. Ich habe immer eine vage Planung im Kopf, damit man es nicht schleifen lässt. Mein Ziel ist es die Konstanz beizubehalten. Collapser war 2009, das letzte Album 2011, deshalb hoffe ich, dass wir nächsten Herbst wieder so weit sind. Bedeutet also, dass wir nächsten Sommer aufnehmen müssen. Wenn wir also von dem ausgehen, was wir haben, dann sollte das machbar sein, es kann natürlich auch anders kommen, dann müssen wir noch länger warten. Wir behalten aber im Kopf, dass wir nächsten Sommer aufnehmen wollen. Ich hoffe, dass uns das, sobald wir zurück sind, in einen hohen Gang kickt und wir dann eine Menge Musik schreiben.

Jöran: Du hast geschrieben, es klingt "auf der einen Seite wie Heart Beats Pacific auf einem Halluzinogen" und auf der anderen Seite bezeichnest Du es als "keine verrückte Neuerfindung". Wie passt das zusammen? Macht das Sinn?

Nate: (lacht) Ich hoffe, es macht Sinn. Du machst natürlich nicht bei jedem Album das Gleiche, das würde sich schnell abnutzen und langweilig werden. Eine Menge Bands machen aber den - für mich - großen Fehler und sagen sofort 'Wir erfinden uns komplett neu, entdecken ganz neue Seiten und versuchen dunkler zu klingen' oder so und dann etwas zu produzieren, was total anders ist als das, was man zunächst an ihnen mochte. Das ist Mist! Wir versuchen also, ein bisschen was Neues einzubauen, so dass die Leute dich immer noch als Band erkennen, aber auch sehen, dass es da einiges gibt, was neu klingt. Das ist nicht einfach umzusetzen, weshalb wir auch mehr bei Sachen bleiben, die nach uns klingen als etwas komplett anderes zu machen.

Jöran: Das Neue also nur leicht einfließen lassen?

Nate: Ja, das ist die Idee. Wir haben immer schon ein wenig anders geklungen auf jedem Album. Wir hoffen, dass man jedem Album anhört, dass es immer noch ein cooles Punk-Album ist, aber doch irgendwie anders klingt. Also nicht 'Oh, das ist wieder genau der gleiche alte Kram' oder 'Was versuchen diese Idioten da?'. Das ist nicht einfach, aber wir hoffen, dass wir es schaffen.

Jöran: In den Interviews mit euch kommt es manchmal so rüber, als wärst Du der musikalische Kopf der Band, während Nick die Texte schreibt...

Nate: Hm, das würde ich nicht 100%ig so sagen. Ich schreibe zwar den Großteil der eigentlichen Musik, aber die Melodien, die ja der wichtigste Teil sind, schreiben Nick, ich und die Band je zu ungefähr einem Drittel.

Jöran: Nick schreibt aber die Lyrics, wobei Du ja auch ab und zu schon den Titel des Stücks vorgibst, bei "Division Street" zum Beispiel?!

Nate: Ja, ich schreibe die Musik häufig am Computer, wo ich dann einen Drum-Track habe, der einen Namen braucht. Dann nehm ich einfach etwas, was mir gerade einfällt und manchmal wird daraus der Titel, weil Nick diesen Namen als Ausgangspunkt für seine Texte nimmt. Im Generellen ist es aber so, dass ich häufig die Instrumentals schreibe, der wichtige Teil der Melodien dann aber von Nick und mir geschrieben wird.

Jöran: Für das letzte Album sagtest Du, hättest Du viele Stücke in E-Dur geschrieben. Warum? Und mit Absicht?

Nate: Eigentlich war es D, also Dropped-D. Ja, das habe ich mit Absicht gemacht. Die Songs klingen dann ein bisschen anders als wir das auf den beiden ersten Alben hatten. Es ist einfach so, dass wenn Du die Tonlage änderst, verändern sich die Akkorde und es gibt ein ganz anderes Feeling im Song. Bei den Songs, bei denen ich das gemacht habe, war es dann einfacher die Songs zu schreiben, das Spielen war dann anders und die Akkordfolge fühlte sich einfach anders an.

Jöran: Du schreibst solche Folgen also geplant. Es ist nicht so, dass es einfach aus Dir raus kommt?

Nate: Ja, auf jeden Fall.

Solange ich in einer Band bin, möchte ich neue Sachen schreiben.

Jöran: Was bedeutet Dir persönlich eigentlich Minneapolis? Die Stadt, in der Du aufgewachsen bist, wo es so viele Bands gibt. Beeinflusst Dich das?

Nate: Es ist eine sehr coole Stadt. Es ist nett, da es nicht so eine Riesenstadt ist, sondern eher recht klein. Es ist also irgendwo zwischen einer großen Kleinstadt und einer kleinen Großstadt. Was die Community angeht, musikalisch und generell, ist Minneapolis groß genug, dass eine Menge interessantes Zeug passiert, aber es ist klein gneug, um in Verbindung zu bleiben. Ich glaube, es liegt auch am schlechten Wetter in der Stadt, das eine bestimmte Sorte Mensch anzieht. Wir haben sehr definierte Jahreszeiten da! Insgesamt ist es aber eine sehr spaßige Stadt, in der man ne Menge machen kann. Es gibt ne Menge Bands, ne große Szene und im Umkreis von 100 Meilen ist sonst nicht viel.

Jöran: Banner Pilot existieren jetzt seit knapp 7 Jahren.

Nate: Ja, 6 bis 7 Jahre. Ehrlich gesagt waren es anfange Nick und ich und eine Drum-Machine. Das würde ich nicht wirklich Band nennen.

Jöran: Du spielst auch noch bei Gateway District, Corey bei Manix...

Nate: Japp!

Jöran: ... welche Pläne habt ihr noch mit Banner Pilot? Ihr habt das neue Album...

Nate: Ja, das ist definitiv der Antrieb. Ich möchte nie in einem Band spielen, die keine Release mehr hat und nur noch alte Sachen spielt. Solange ich in einer Band bin, möchte ich neue Sachen schreiben. Wenn das aufhört, sollte man als Band aufhören. Der Plan ist es weiter gute Musik zu schreiben und in neuen, einzigartigen Orten zu touren. Wir würden gerne mal in Südeuropa touren und mehr Osteuropa. Japan und Südamerika wären auch reizvoll.

Jöran: Gibt es noch Bands mit denen ihr mal touren wollt?

Nate: Naja, wir haben noch nix geplant, aber es gibt bestimmt ne Menge Bands, mit denen es Spaß machen würde.

Jöran: Ein letztes Thema ist Deine Autoren-Karriere. Dein letztes Buch heißt "Hit The Ground Stumbling". Worum geht es da? Und wie kommt es, dass Du zusätzlich auch noch Bücher schreibst?

Nate: Nun ja, es ist eine Adaption von ein paar Fanzines, die ich früher mal gemacht habe. Es geht um einen Typen, den ich in der Highschool kannte. Oder war es Middleschool? Er kam aus eine sehr strengen christlich-konservativen Familie und, wie fast jeder in der Schule hatte er dann seine ersten Ausflüge in Heavy Metal und Drogen und wurde echt sketchy. Es ist also ein wenig eine Betrachtung von uns beiden und unserer Freundschaft.

Jöran: Willst Du noch mehr schreiben?

Nate: Ja, das würde ich echt gerne machen. Ich habe aber keinen genauen Plan. Bisher war das mehr so ein Fun-Ding.

Jöran: Seid ihr Jungs alle so ein bisschen Literatur-begeistert? Wenn ich zum Beispiel an die "Of Mice And Men"-Analogie in Isolani denke, die ich großartig finde...

Nate: Ja, das ist cool. Es stimmt schon, ich liebe es jede Menge zu lesen und Nick auch. Es beeinflusst dich einfach, du bekommst einen ganz anderen Blickwinkel. Nicht mehr, dass dich ein Gitarren-Riff einer Band beeinflusst. Wenn Literatur dich beim Schreiben beeinflusst bekommt man ganz andere Ansätze, durch die Story oder einfache Phrasen. Manchmal ist es beispielsweise so, dass, wir, wenn wir Melodien schreiben ein John-Fante-Buch nehmen und uns vom Klang der Worte neue Melodie-Ideen holen. Manchmal erzeugt aber auch eine Phrase ein Bild im Kopf, aus dem du dann eine Geschichte entwickelst.

Autor: Jöran Kuschel

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