Und jährlich kommt der Weihnachts-Justin

New Model Army füllt seit 8 Jahren das Kölner Palladium

Konzertbericht: New Model Army - Köln, Palladium, 22.12.2007

"Und jährlich kommt der Weihnachts-Justin", so oder so ähnlich hieß es in den Konzertankündigungen zum -Konzert im Kölner Palladium. Aber, was soll man auch schreiben, wenn eine Band seit 8 Jahren jedes Jahr kurz vor Weihnachten die Kölner Konzerthallen füllt? Diese Band ist schon wirklich ein Phänomen, ...

... einerseits werden sie von den Musik-Medien/-Presse meist ignoriert, andererseits ist das Palladium seit 2000 immer so gut wie ausverkauft (Okay, einmal war es das benachbarte E-Werk). Also, wenn der 1. FC eine solche Fangemeinschaft hätte, ...

Autsch, ich will ja auch nächstes Jahr wieder in die Stadt des komischen Bieres einreisen dürfen.

Zurück zum Palladium, in diesem Jahr hatten die Engländer die Iren von Therapy? und die junge deutsche Combo Kleinstadthelden dabei. Vorbands haben es beim Dezember Konzert in Köln eigentlich immer schwer. Für die -Fans ist dieses Ereignis immer so etwas wie ein Klassentreffen, da wird sich am laufenden Band begrüßt und bebusselt, Biere kreisen und alte Geschichten werden aufgewärmt. Gut, dass es hier so einen großen Vorraum gibt, da können diese lauten Vorbands die netten Unterhaltungen nicht so stören. Es sollte aber auch einige Konzertbesucher geben, die sich den Support anschauen wollten, zu diesen gehörte diesmal auch ich.

Los ging es mit dem Bremer Vierer Kleinstadthelden. Die Jungs haben ihre Meriten schon im Vorprogramm von Muff Potter verdient. Eine gewisse Ähnlichkeit kann man auch nicht leugnen, wobei ich jetzt wieder den ganzen deutschsprachigen Indie-Rock in eine Schublade werfe, sorry, fällt mir immer schwer hier zu differenzieren. Die Kleinstadthelden hatten trotz Erkältungen sichtlich Spaß auf der Bühne und machten ihre Sache echt gut. Ein etwas jüngeres Publikum vorausgesetzt, ist ein Gig der Vier bestimmt eine riesen Mitsing-Party.

Nach einem "kurzen" Bierstopp im Vorraum (Danke Jupp für's Mitbringen), ging es zurück in den großen Saal. Therapy?, die Alternativ-Rock-Helden der 90er, ich war echt neugierig, was aus denen geworden ist. Ist schon komisch, was passiert, wenn eine Band nicht mehr "hipp" genug für die Medien ist. Wenn man da nicht selbstständig deren Werdegang verfolgt, denkt man glatt die Band existiert nicht mehr. So ging es wohl vielen hier in Köln, mir eingeschlossen. Umso besser waren die Drei auf der Bühne und zeigten dem nun zahlreich anwesenden Publikum, dass ihr metallastiger Rock immer noch gut abgeht. Alte Klassiker wie Teethgrinder, Diane oder Isolation wurden lautstark mitgegrölt. Selten bei einer Vorband, dass die Stimmung schon so gut ist, zumal es ja auch nicht einfach ist zu dritt eine so große Bühne zu "füllen". Bassist Michael McKeegan und Sänger/Gitarist Andy Cairns haben aber diesbezüglich reichlich Erfahrung und so wurde es auch in der guten Stunde, die die Beiden am Bühnenrand waren, nie langweilig.

Nach einer erneuten Umbaupause wurde es nun richtig voll im Palladium. Justin Sullivan und seine , wer die Engländer schon mal live gesehen hat, der weiß, wie energiegeladen ein Auftritt der Fünf ist. Ob große oder kleine Hallen, ob voll oder auch mal leerer, Justin Sullivan ist einfach der Inbegriff von Bühnenpräsenz. Seit 27 Jahren steht dieser Mann auf der Bühne und hypnotisiert das Publikum, und auch in diesem Jahr konnten Erkältung und einsetzende Heiserkeit dem keinen Abbruch tun.

Zwar begann der Gig mit dem Impurity-Klassiker "Vanity", aber die dann folgenden Songs vom neuen High-Album zeigten, dass sich das Publikum mit den neueren Songs noch nicht wirklich auseinander gesetzt hatte. Trotz aller Inbrunst und bühnenseitigen Bemühungen sprang der Funken zunächst nicht auf's Publikum über. Erst, als mit "The Hunt" der Reigen der Army-Hits eingeläutet wurde, kam Bewegung ins Publikum, aber das dann nicht zu knapp! Songs wie "Get Me Out" und "Before I Get Old" wurden lauthals mitgegrölt, dazu immer wieder Türmchen bauende Fans, die in teils akrobatischen Aktionen auf den Schultern ihrer Mitstreiter, die Justins Lyrics ihren Helden gestikulierend zurückschleudern. Wie immer klasse anzusehen. Nach "Wonderful Way to Go" einem der schnelleren Stücke ging es dann zum ersten Mal zur Erholung in den Backstagebereich.

Im ersten Zugaben-Block, zwei weitere sollten folgen, ging es dann sofort wieder richtig zur Sache. Mit "Vagabonds" und "Poison Street" wurden die straighteren 80er der Band wiederbelebt. Hier zeigt dann Marshall Gill, dass er seit drei Jahren nicht nur Ersatz von Ex-Gitarrist Dave Blomberg ist. Marshall ist der absolute Glücksgriff für New Model Army, beim Intro von Vagabonds lässt er mich, Ed Alleyne Johnson geniales Geigen-Intro, fast vergessen. Einfach absolute Klasse wie Marshall an seiner Gitarre ackert und werkelt. Und auch dem Song "Poison Street" drückt er durch das emotionale Gitarrenspiel seine eigene Note auf.

Im zweiten Zugaben-Block geht es mit nostalgischem Material weiter, Mitbrüller "51st State" hat, wie alle Jahre wieder, eine aktuelle Komponente: Nach dem New Model Army im letzten Jahr ihre US-Tour wegen nicht erteilten Visas absagen mussten, erreichte die Band vor ein paar Tagen die Nachricht, dass die Visas für 2008 erteilt wurden. Mit "Green and Grey", dem wohl besten Stück Liedgut aus der Feder vom 2004 verstorbenen Army-Schlagzeugers und Justin-Weggefährten Rob Heaton, wurde dieser Block melancholisch beendet. Aber da so ein Army-Konzert nicht enden durfte, kamen die fünf Engländer noch einmal heraus, um mit "The World" diesen Konzertabend zu beschließen.

Fazit:

Auch wenn das Palladium vielleicht nicht der beste Ort für ein familiäres New Model Army Konzert ist, gibt es wohl kein Gig, für das die Fans jedes Jahr teils durch ganz Deutschland oder halb Europa pilgern, nur um Freunde zu treffen und nebenbei ein paar alte Männer ;-) aus England zu sehen. Bis zum nächsten Jahr!

Setlist:

  • Vanity
  • No Mirror, No Shadow
  • Island
  • Into The Wind
  • Breathing
  • Rivers
  • The Hunt
  • Get Me Out
  • Before I Get Old
  • Chosen
  • Bloodsports
  • High
  • Ballad Of Bodmin Pill
  • Bad Old World
  • Wired
  • Wonderful Way To Go
  • ------
  • Fate
  • Vagabonds
  • Poison Street
  • ------
  • 51st State
  • Green And Grey
  • ------
  • The World

Autor: Frank Reins

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