Neil Fallon (Clutch) - 13.06.2014

Punkt 19 Uhr Kölner Ortszeit wandelten wir durch die heiligen Katakomben der Essigfabrik, um mit keinem geringeren als dem Frontmann der Band Clutch Neil Fallon ein Interview zu machen. Direkt am leckeren Buffet vorbei, neben entspannt chilligen Musikern der Bands und , hin zum Backstagebereich trafen wir dann auch Neil persönlich.

Neil und ich nahmen uns die Zeit, um über die gerade gestartete Earth Rocker Tour 2014 und ein bisschen "Mehr" zu schwatzen.

Eddie: Neil eure Tour hat gerade erst begonnen. Kannst du schon ein wenig Feedback darüber geben ?

Neil: Die Tour ist nicht gerade mal eine Woche alt. Wir haben zwei Shows in Deutschland gespielt und ich muss sagen: Es waren sehr heiße Gigs temperaturtechnisch (Neil muss schmunzeln).

Eddie: Freunde haben euren Gig in Hamburg gesehen und mir davon berichtet. Es soll höllenheiß gewesen sein. Der Raum soll keine Fenster und Lüftungsmöglichkeiten gehabt haben.

Neil: Ja es war echt brutal. Aber 'nen klasse Gig. Es ist unsere bis dato größte Headliner-Tour. Wir waren wirklich am schwitzen und frieren. (Neil muss lachen).

Eddie: Ich habe euch vor 2 Jahren im Kölner Underground live gesehen. Mehr oder minder gesehen, denn es war so voll, dass man euch kaum auf der Bühne performen sehen konnte. Es waren schätzungsweise mehr als 500 Leute im Laden.

Neil: Ich glaube, da warst du nicht der Einzige. In Läden, die eine Kapazität von ca. 600 Leuten haben, sind es wahrscheinlich nur 300 davon, die die Show richtig sehen können. Der Grund dafür ist die Form der Location. Aufgebaut wie ein "L". Ja es ist wirklich schwierig. Wir haben dutzende Male in solchen Läden gespielt.

Frank: Ist es auch so in den Staaten oder ist das Ganze dort größer?

Neil: Es ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Wir spielen ab und zu in einigen kleinen Städten. Natürlich sind es da weniger Zuhörer. Du kannst bei einem normalen Konzert von 1000 Leuten ausgehen. Einige Städte sind größer, andere wiederum kleiner. Aber man kann sagen, dass es so der Durchschnitt ist.

Eddie: Lass uns ein wenig über euer letztes Album sprechen. Es ist im Vergleich zu den älteren Scheiben "straight" Rock'n'Roll und nicht so blueslastig. Wie war die Herangehensweise?

Neil: Hm es liegen 4 Jahre zwischen "Strange Cousins" und "Earth Rocker". Wir haben "Strange Cousins" paar Jahre lang sehr viel gespielt. Es ist ein dunkles und langsameres Album. Es war an der Zeit sich mit geistreicheren und schnelleren Sachen zurück zu melden. Wir hatten viel vorproduziert und merkten, dass eine Menge von diesen extra "Bits" rausfliegen mussten. Es schien für uns instinktiv der richtige Weg effizientere Songs zu machen.

Eddie: Wenn man sich "Earth Rocker" anhört, dann ist "Gone cold", der Song, der einen zum chillen einlädt, ja quasi ein Break zum Rest auf dem ganzen Album. Er erinnert eher an vergangene Alben.

Neil: Das war das erste Mal, dass wir uns alle Lieder genauer angehört haben. Alle Clutch-Songs wurden immer schneller und schneller. Also entschieden wir einen langsameren Song für die "Earth Rocker" zu schreiben. Jedoch war dann auch dieser wesentlich schneller geraten als letztendlich veröffentlicht.

Eddie: Jedes Lied klingt für mich sehr kritisch, was die Inhalte angeht. Ist das wirklich so?

Neil: Wir hatten, wie schon erwähnt, eine Menge vorproduziert und nun die Chance die furchtbaren Inhalte zu überdenken und rauszuwerfen. Ich greife immer wieder diese Art und Weise auf, bevor wir Songs aufnehmen. Manchmal schaue ich auf den Text und frage mich: "Was sollen diese Textzeilen bedeuten?" Dieses Mal hatte ich genügend Zeit, um darüber nachzudenken und dran zu arbeiten. Bei den Aufnahmen im Studio denkt man nicht so an das herüberbringen der Texte. Dieses Mal hatte ich genügend Zeit, dies zu üben und habe dem Ganzen die beste Performance gegeben, die ich konnte.

Eddie: Ist das reale Leben die Basis für deine Texte oder ist es reine Fiktion? Denkst du dir irgendwelche Themen aus?

Neil: Ähm, die meisten Dinge sind ausgedacht. Ich mag diese Heavy-Metal-Sache. Ich bin damit nicht wirklich aufgewachsen, aber ich mag diese Art von Ausbrüchen. Typische Heavy-Metal-Texte bringen dich in die Zukunft, in die Vergangenheit oder in eine andere Welt. Ich mag das. Ich behandle Texte wie kleine Dichtungen. Du kannst halt sagen, was du willst. Du kannst es nicht falsch erzählen oder machen.

Eddie: Schreibst du lieber Texte oder Musik?

Neil: Ich liebe es zu schreiben. Aber ich glaube, dass es irgendwie eine Hass/Liebe mit den Texten und der Musik ist. Manchmal möchtest du am Liebsten mit dem Kopf vor die Wand hauen, weil deine Gedanken blockiert sind (Neil muss schmunzeln). Aber dann erinnerst du dich an bestimmte Dinge und hast wieder so ein Glücksgefühl. Wenn ich morgens aufwache, habe ich die Möglichkeit entweder einen Song zu schreiben oder ein Lied zu performen. Das ist halt mein Job, aber es ist für mich der ultimative Erfolg, dies entscheiden zu können. Das ist alles wonach ich frage (Wir beide müssen herzlich lachen).

Eddie: Was ist mit den ganzen Sideprojekten, die du so machst? Ich denke da an The Company Band oder Bakerton Group.

Neil: Alles was diese Projekte angeht, liegt zur Zeit auf Eis, da sich alle in der Band auf das nächste -Album konzentrieren. Wir hoffen, das wir Anfang 2015 die neue Scheibe aufnehmen und letztlich dann Ende des Jahres veröffentlichen können. Wir haben jetzt Juni also in sechzehn Monaten haben wir dann ein neues Album. Wir erhalten gerade sehr viele Impulse und Aufmerksamkeit der Leute und erachten es als wichtig für die Band daraus auch Nutzen zu ziehen. Wir müssen uns einfach bewegen und nicht nach hinten lehnen und faul werden.

Eddie: Was hat es mit dem Projekt Deep Swell auf sich?

Neil: Ah, das ist ein Sideprojekt von Tim. Sie haben letztes Jahr über Weathermaker Music ein Album veröffentlicht und eine handvoll Shows gespielt. Das ist ein typisches kleines Projekt. Das Ganze ist sehr schwierig, da Clutch halt sehr viel tourt. Ich denke, dass es sich zur Zeit in Warteschleife befindet.

Eddie: Was ist mit Lionize?

Neil: Lionize ist die einzige Band, die bei Weathermaker unterschrieben hat und kein Sideprojekt ist. Wir kennen die Jungs schon viele Jahre. Eine großartige hart arbeitende Band. Wir haben ihr Album "Jetpack Soundtrack" Anfang des Jahres veröffentlicht. Genau heute beginnen sie mit der "US Warped Tour ´14". Für sie ist es ein großer "Deal" als Neulinge auf so einer großen Tour mit Clutch zu spielen.

Eddie: Weathermaker Music Label / Company habt ihr gegründet, weil ihr mehr Geld verdienen wolltet? Oder wollt ihr Bands aus dem Underground 'ne Chance geben? Welche Idee steckt dahinter?

Neil: Nun wir machen uns keine Visionen darüber, dass Weathermaker viele Bands unter Vertrag nimmt. Primär soll es ein Behelf sein, um Clutch-Platten an Clutch-Fans weiterzugeben. Um Clutch an neue Fans heranzuführen. Jahre zuvor haben wir gesagt, dass wir niemandem unter Vertrag nehmen. Lionize ist aber eine Ausnahme. Sie hatten überhaupt keinen Vertrag und wir sagten uns, dass ist eine Band, die es verdient hat, gehört zu werden. Niemand gründet 2014 eine Plattenfirma und denkt darüber nach, damit viel Geld zu verdienen (Wir müssen lachen). Das wäre ein törichter Zeitpunkt solch ein Geschäft zu starten. Eher dann schon ein Dampfmaschinengeschäft (Neil muss lachen). Es geht einfach um die richtigen Platten an der Musik nahestehenden richtigen Leute weiterzugeben. Traditionell schmeißen ja Plattenfirma Alben nur so auf den Markt. Das soll damit gebrochen werden.

Eddie: Würdet ihr in Zukunft denn anderen Bands die Chance geben, auf Weathermaker veröffentlicht zu werden. Zumindest, wo ihr der Meinung seid, dass diese Bands gehört werden sollten?

Neil: Puuh, das ist schwer zu beantworten. Mein Herz ist da ein stückweit zweigeteilt, ja zerrissen. Ich möchte nicht auf 'ne Band schauen, um sagen zu können, dass ich von den Jungs profitieren kann. Das ist eine gruselige Vorstellung für mich. Aber ich würde auch gerne im Rahmen der Möglichkeiten mit und über Weathermaker helfen, falls die Band Hilfe benötigt. Es geht um die Ehrlichkeit, der Band zu sagen, dass man ihnen hilft, wenn sie arbeiten wollen, aber nichts in diesem Sinne verspricht. So nach dem Motto „Ihr seid das nächste große Ding“. Weißt du wovon ich spreche. Wir sind sehr konservativ, was das angeht. Es wäre uns, glaube ich, nicht wirklich wohl dabei, der "Typ" auf der anderen Seite des Tisches zu sein. Wir sind selber seit Jahren eine Band und wissen, wie hässlich es sein kann mit Plattenfirmen. Es ist schwierig für uns, beides gleichzeitig zu sein. Gerade für uns. Du findest dich auf einmal in einer anderen Gruppe und dann wird es wirklich kompliziert.

Eddie: Kann man denn als Fazit sagen, dass ihr als Musiker anderen Musikern ein wenig helfen würdet?

Neil: Ja, das wäre so mein Dingen. Du weißt, um im Musikgeschäft zu überleben, benötigst du einfach den Profit. Du kannst nicht jeden unterstützen, ohne selber daran zu zerbrechen oder davon etwas zu haben. Wenn wir einer Band und unserem Label gegenseitig helfen können, dann ist es das Ideale. Aber manchmal sind auch ideale Scheiße (Wir beide müssen lachen).

Frank: War Weathermaker für dich eher aus der Not geboren oder hattest du bestimmte Vorstellungen das Label zu gestalten als ihr begonnen habt?

Neil: Ah nun wie wir schon anfangs darüber gesprochen haben, sind wir mit der Washingtoner Dischord Records gross geworden. Und wir haben uns selber die Frage gestellt: Ok, wir können zwei Dinge machen. Wir können so sein wie Ian MacKaye und Minor Threat und Platten veröffentlichen oder wie das Hears Label sagte: "Wir geben euch tausende von Dollars und ihr kauft euch davon Road Cases und ihr könnt auf Tour mit Sepultura und Pantera gehen. Ok, lasst uns mit Sepultura und Pantera auf Tour gehen. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass unsere Plattenfirma DRT so ein fürchterliches Plattenlabel war. Es war so, als ob wir überhaupt kein Label hatten. Keine Bezahlung. Nichts. Es war, wie ein Unfall, der passiert ist. So sagten wir uns: Das Internet ermöglicht uns Plattenliebhaber zu erreichen. Sie in den Prozess mit einzubeziehen. Das ist sehr effizient. Ich denke, dass Leute gerne von "der Band" Platten kaufen und dadurch den Erfolg der Band persönlich Beeinflussen.

Frank: Eine uns befreundete Band aus Borlänge / Schweden hatte damals auch bei DRT unterschrieben, kurz bevor sie Pleite gingen. Sie haben uns gebeten, euch mal ihr neues Album Salvation zu geben, damit ihr mal reinhört. Kennst du Per Wiberg von Kamchatka? Der kommt auch aus Borlänge. Die Jungs sind miteinander befreundet.

Neil: Danke sehr. Wir werden garantiert reinhören. Ja stimmt Per Wiberg kommt daher. Jetzt weiß ich auch wieder mit Borlänge was anzufangen. Arbeiten denn die Jungs (SNO) zur Zeit an neuem Material?

Frank: Ja. Die sind fleißig und hart am arbeiten. Ende des Jahres ist auch noch mal eine Tour angesagt.

Eddie: Danke Neil für dieses lustige und angenehme Interview. Vielleicht können wir das ja demnächst wiederholen?

Neil: Hey Jungs demnächst machen wir ein bisl länger. Sehr gerne. Hat mit euch richtig viel Spaß gemacht. Aber ihr wisst: WDR Television wartet. (Neil zwinkert uns zu :-).

Ein Handshake und wir verabschieden uns.

Abschließend muss ich sagen: Es hat sehr viel Spaß gemacht und ich freu' mich riesig aufs nächste Interview mit den Earth Rockern. Danke!

Autor: Eddie Sharik

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