Niklas Seren (Hong Faux) - 28.11.2015

Und wieder so eine Schwedenrockramme wird sich so einer gedacht haben, nachdem sich die Band aus Stockholm mittlerweile einen größeren Bekanntheitsgrad erspielt hat. Nun ich sollte eines besseren belehrt werden, als Sänger Niklas mit mir über die Band, das Album und Musik „Hausmarke Schweden“ plauderte.

Eddie: Hi Niklas. Es ist nett dich kennenzulernen und mit dir über eure Band und eure Musik zu reden. Wie würdest du eure Musik, euren Stil in deinen eigenen Worten beschreiben?

Niklas: Und was wir in unserem Leben so tun (Nikals schmunzelt). Nun ich denke, dass es für jeden schwer ist, der in der Mitte des Sturms steht, es zu erklären, da es meistens sehr gefühlsbasiert ist. Es ist einfach schwer deine eigene Musik zu beschreiben. Normalerweise beschreibe ich eher die Musik anderer besser. Wir möchten gern mit unserer Musik ein Gemisch erschaffen, das wir nirgendwo sonst finden konnten. Wir verschmelzen Stonerrock, Riffrock a la Siebziger, mit der Grunge Ära, melodischem neunziger Sound und modernen Rock. Wir wollen das moderne beibehalten und keine Retro-Band sein.

Eddie: Als ich euer Album zum ersten Mal gehört habe, schwirrten mir direkt Bands wie Jet, The Strokes oder ähnliche durch meinen Kopf. Eine Art Pop-Rock-Stil.

Niklas: Ja da sind einige Pop-Elemente im Album. Das stimmt schon.

Eddie: Ich habe mir das Album „The Crown that wears the head“ und die EP „Hello Neptune“ reingezogen. Beide sind dem Stonerrock zuzuschreiben. Bei dem neuen Album sind einige Stonerriffings geblieben, aber auch viele andere Elemente hinzugekommen. Was war der Grund für eure Entscheidung vom reinen Stonerzeug wegzugehen?

Niklas: Ich denke das hat mehr mit technischem Zeug zu tun. Als wir unser erstes Album aufnahmen, waren wir eine neue Band und hatten diese Musik schon eine lange Zeit gespielt. Wir haben auf alten Tapes aufgenommen, uns alles Mögliche ausgeliehen und halt alles selber gemacht. Wir waren nicht in der Lage einen modernen Sound zu kreieren, da wir eben altes Equipment verwendet hatten. Das war das Resultat daraus. Wir wollten modernen Sound machen. Wir sind dann damit rumgezogen, unterschrieben einen Vertrag und begannen mit Produzenten zu arbeiten. Nun ist es einfacher für uns das zu erreichen, was wir von vornherein machen wollten. Aber ich würde nicht sagen, dass das erste Album ein Fehler war. Es hatte den Sound, den wir haben wollten, jedoch hatten wir nicht die Möglichkeit den Sound anders zu machen. Wir hatten teils während wir live gespielt hatten aufgenommen. Nun ist wesentlich besser im Studio mit einem Produzenten aufzunehmen. Ja, gemeinsam etwas zu erarbeiten. Für eine Band ist es ein guter Ansatz, denn man möchte nicht immer wieder das gleiche Album aufnehmen. Dies würde bedeuten, dass du es hunderte Mal im Jahr live spielen müsstest. Es macht einfach Sinn, denn es ist eine Art Herausforderung an dich selber, es besser zu machen, sonst beginnst du Musik für andere zu machen.

Eddie: Es stellen sich zwei Fragen. Zum Einen: Habt ihr euren Weg nun gefunden? Und zum Zweiten: Wenn du dir vorstellst, ihr würdet heute ein neues Album einspielen, würdet ihr nochmals eure Richtung ändern?

Niklas: Ich denke wir würden erneut wechseln, allerdings würde es kein beängstigender Weg sein, eher ein hoffnungsvollerer, um das Ganze auf eine höhere Ebene zu tragen und uns selber sowie die Zuhörer erneut anzuregen. Für den Rock der Zukunft wird es wichtig sein, dass Bands sich Neu erfinden, um auf die eine Art und Weise interessant zu bleiben. Wir interessieren uns sehr für Melodien und Dynamik. Wir wollen damit mehr arbeiten. Quasi ein hoch - runter, ein hart - zart und ähnliches. Es ist eine Art S/M, ein bisschen Vergnügen, ein bisschen Schmerzen.

Eddie: Wie war das arbeiten am neuen Album? Von wem kamen die Ideen für das Schreiben, das Zusammenfügen der einzelnen Elementen in die Musik?

Niklas: Jeder von uns schreibt. Normalerweise gehen wir in den Proberaum, greifen rohe Ideen auf und fangen an zu spielen. Es ist viel spielen, Fehler machen, zurückgehen und neu versuchen. Am Anfang ist es ein Jammen. Dann nimmt es Form an und wir starten mit dem Schreiben, dem Spielen von verschiedenen Teilstücken usw.

Eddie: Steckt eine Geschichte hinter eurem oder in eurem Album bzw. in den Liedern?

Nikals: Ja es zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album. Ich habe alle Texte geschrieben und für mich ist es auch der Grund dafür, dass wir es "A message in Dystopia" genannt haben. Die Songs handeln von dem Blick auf die moderne Gesellschaft, von Leuten, die am Rande der Gesellschaft stehen und ins Innere schauen. Wir versuchen verschiedene Blickwinkel auf das moderne Leben zu haben. Wie leben wir jetzt. Als ich angefangen habe darüber nachzudenken, ist mir aufgefallen, dass wir über Veränderung in der Zukunft reden, obwohl es jetzt schon begonnen hat. Man muss nur seine Augen öffnen und den Fernseher ausschalten (wir beide müssen lachen).

Eddie: Wenn wir von Dystopia sprechen, dann denke ich automatisch an den letzten Song, der genauso lautet wie das Album. Ein ruhiges Lied. Ist es eine Ballade?

Niklas: Ja es ist eine Ballade aber nicht im ursprünglichen Sinne. Es ist ein ruhiger Song aber der Fokus liegt eher auf dem Fühlen und der Atmosphäre, als auf der rohen Energie.

Eddie: "Peter and Anne" oder auch "Red Eye black sky" sind sehr stonerlastig während die Songs davor eher in die Indie/Rock/Pop Schiene gehen. Es ist so ein "halb-halb"-Dingen, in das sich das Album aufteilen lässt. War das so gewollt oder Zufall?

Niklas: Nun wenn du dir das Album anhörst, dann muss es von einer Einheit zeugen. Es ist wie ein Stück Kunst, ein Produkt oder wie du es auch immer benennen magst. Die ersten Lieder scheinen dich auf eine gefühlvolle Reise mit zu nehmen. Insofern hörst du dir die ersten Songs an und kommst dann allmählich runter bis die Seite wechselt. Es ist etwas völlig anderes und nicht einfach nur der zweiten Akt. Diese Eigenschaft des Wechsel haben wir aufgenommen und verarbeitet. Ich mag keine Filme, die gut ausgehen.

Eddie: Ihr habt bis jetzt drei Touren gespielt. Was sind eure Zukunftspläne?

Niklas: Wir haben hier insgesamt 4 Touren gespielt. Wir haben gerade das Album veröffentlicht und werden natürlich erstmal paar Gigs bis zum Ende des Jahres spielen. Im Februar werden wir dann wieder kommen und ein paar kleinere Headliner-Shows in verschiedenen Clubs machen. Wir spielen hier in Köln im Underground und an Plätzen wie diesen. Dann kehren wir nach Skandinavien zurück und hoffentlich beginnt dann die Festival-Saison. Denn in der Zwischenzeit müssen wir darüber nachdenken, wie es weitergeht, denn wir haben schon das nächste Album geschrieben. Wir sind ziemlich schnell dabei. Also beginnen wir von da an parallel zu spielen. Der Hauptpunkt für das Jahr wird sein, es mit Touren zu füllen, an verschiedenen Plätzen zu spielen und neue Märkte zu erobern. Wir haben schon in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und ein wenig in Spanien gespielt. Wir möchten gerne dies um England und Frankreich erweitern.

Eddie: Also möchtet ihr europaweit bekannter werden. Was erwartet ihr von der Tour mit Clutch? Soweit ich weiß, ist es mittlerweile der vierte oder fünfte Auftritt mit den Jungs.

Niklas: Ja das stimmt. Wir hatten mit denen schon vier oder fünf Gigs. Nun es ist eine Drei-Band-Besetzung und haben uns ausgewählt. Wir hatten das vorher noch nicht gemacht und eine Support-Band zu sein ist harte Arbeit. Sehr oft kommen die Leute zu den Konzerten, die eventuell nicht an der ersten Band interessiert sind oder was auch immer. Ich glaube aber, dass die Leute hier in Deutschland sehr musikbegeistert sind und dem Support eine Chance geben, hinsichtlich was sie auf der Bühne machen.

Eddie: Ich habe u.a. von aber auch von anderen schwedischen Bands gehört, dass die schwedischen Zuhörer sich eher betrinken und Party machen, anstatt sich für die Musik zu interessieren. Kannst du das bestätigen? Was denkst du darüber?

Niklas: Ich denke das schwedische Publikum ist zu verwöhnt. Die kümmert es nicht, wenn eine Band spielt, denn die haben einfach zu viel davon. Die Qualität von Rockbands ist sehr groß. Es ist so, wenn eine Band jeden Abend irgendwo spielt, dann ist es bei den Leuten eher so nach dem Motto "Ach". Aber hier in Deutschland, Österreich, Holland sind die Leute generell an der Musik interessiert und halten für eine gewisse Zeit inne, um sich die Band anzuhören. Wir sind dankbar dafür und so bauen wir unsere Fanbase auf. Wir sind auch dankbar dafür, dass wir die Möglichkeit haben vor dem Publikum von Clutch zu spielen. Wir haben auch schon vor dem Publikum von D.A.D., Coheed and Cambria, Graveyard und all den Bands gespielt. Wir hatten nicht erwartet, dass wir vor diesen Zuhörern spielen können, denn auf anderem Wege hätten wir sie nicht erreicht. Für uns ist das großartig. Wir haben mehr als einhundert Gigs gespielt. Es ist immer gut ein anderes Publikum zu erreichen. Jemand, der von dir oder der Musik gehört hat und sich das ein bisschen live ansehen möchte. Wir sind eine gute Liveband und es hört sich wirklich gut an, wie wir spielen. Und wenn du offensichtlich viel Zeit hast, wie der Hauptakt gerade, der eine Stunde Zeit für den Soundcheck hat, dann haben wir gerade einmal zehn Minuten (Wir beide müssen lachen). Aber trotzdem sind wir in der Lage damit zu arbeiten.

Eddie: Was ist das Geheimnis der schwedischen Bands? Oder, warum kommen so viele gute Rock-Bands aus Schweden?

Niklas: Das ist eine gute Frage. Ich kann nur raten. Ich denke, dass es dafür unterschiedliche Erklärungen gibt. Eine Rolle spielt das exklusive soziale System, in dem wenn Leute z.B. arbeitslos werden, trotzdem normal weiterleben können. Dies bedeutet, dass es nicht endet, wenn du keinen Job hast. Du kannst deine Affinität in die Band stecken und wirst gleichzeitig acht Monate oder ein ganzes Jahr lang vom Staat unterstützt. Und arbeitslos bedeutet dann in diesem Sinne nicht gleich was schlechtes und das man auf der Straße landet, sondern verschafft den Menschen die Möglichkeit ihr eigenes Geschäft zu starten und eine Band ist auf die eine Art und Weise nichts anderes als ein Geschäft. Somit haben sie Zeit und einige Sicherheit, weil ihnen bewusst wird, dass man Essen auf dem Tisch hat, eine Zeit lang das so machen kann und dann sieht, ob es funktioniert. Ich denke, das ist eine Erklärung. Grundsätzlich ist es das sozial-demokratische System, das auch hier in Deutschland existiert. Nicht so, wie in den USA, wo man gleich fünf Jobs hat, um zu leben. Das ist das eine Ding. Das Andere ist, dass der schwedische Staat hart daran gearbeitet hat, den Kids Möglichkeiten zu geben ein Instrument zu erlernen. Somit ist die Musik ein wichtiger Teil der Erziehung. Jeder kann das Spielen eines Instrumentes erlernen, ob Gitarre, Cello oder was man möchte. Es kostet nichts. Außerdem gibt es lokale Staatsmusikschulen, wo die Jugendlichen abends hingehen können, um zu lernen. Das macht viel aus, denn man muss früh anfangen.

Eddie: Insofern nimmt es einen guten Einfluss auf die Jugendlichen.

Niklas: Ja und das Dritte sind gute Beispiele. Wir hatten ABBA und viele andere Sachen. Wir haben so viele Sachen, die aus Schweden kommen wie Roxette und die ganzen Rockbands natürlich auch. The Hives und all die anderen Bands. Wenn man gute Vorbilder hat, ist es wie ein Zlatan-Ibrahimovic-Effekt. Er ist ein guter Fußballer und die Kids wollen natürlich ihrem Vorbild nacheifern. Als ich ein Jugendlicher war, war ich ein großer Entombed-Fan und wollte so klingen wie sie. Hast du gute Vorbilder, dann merkst du, dass es nicht unmöglich ist. Ich kann es nicht richtig erläutern, aber wenn du zum Beispiel zu einer Deep-Purple-Show gehst, um dir das anzusehen und dann die Jungs wie deine Nachbarn siehst, die dann auf Deutschland-Tour gehen, dann ist es wie ein Duo von nebenan und nicht irgendwas vom Mars. Es ist machbar. Du musst nur daran arbeiten. Aber wie gesagt, das ist meine Meinung und ich weiß nicht, ob es die Antwort darauf ist.

(In diesem Moment beginnt Clutch bei ihrem Soundcheck "The Regulator" zuspielen, was natürlich lautstärketechnisch fürs Interview nicht gerade förderlich ist, aber Niklas und ich haben's dennoch hinbekommen.)

Eddie: Eine abschließende Frage. Wie seid ihr zusammen gekommen?

Niklas: Oh, das begann mit ein paar Freunden. Sie redeten über Künstler und meinten, man sollte doch eine Band gründen. Daraufhin gründete sie eine Band und begannen zu jammen. Sie suchten noch einen Sänger und fragten mich. Wir setzen uns dann zusammen und stellten uns Fragen wie: "Was denkt ihr über Musik?", "Was vermisst ihr im Radio?" und solche Sachen. Wir sprachen über Dinge, die wir mögen und die wir gerne hören. Also, sagten wir uns: „Lasst uns versuchen die Musik zu machen, die wir kaufen möchten, die wir aber nirgendwo finden können“. So begann das Ganze. Ich kannte einen von den Jungs, die anderen zwei kannten sich auch. Halt von Freund zu Freund hat sich das entwickelt. Wenn du es so willst über Beziehungen und diese wiederum sind im Leben sehr wichtig. Also spielt nicht alleine zu Hause Videospiele, sondern geht raus und trefft Leute. (Niklas und ich müssen lachen)

Eddie: Niklas ich danke dir fürs entspannte Interview und hoffe doch, dass wir das demnächst wiederholen können?

Niklas: Natürlich sehr gern. Wir werden wieder im Februar unterwegs sein.

Eddie: Ok, dann freue ich mich auf noch mehr Infos von eurer Seite. Danke und wir sehen euch dann bei der Show.

Autor: Eddie Sharik

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